Lampenfieber – Teil 1

Wer kennt es nicht? Früher oder später machen viele von uns einmal eine unliebsame Erfahrung. Das kann bereits im Kindesalter bei einem Vorspielen oder Gedichtaufsagen geschehen, später in der Schule bei einem Referat, einer Präsentation, einer Rede oder einer Bewerbung. Dabei ist es ziemlich egal, ob man das erste Mal einen Auftritt hat oder bereits ein „alter Hase“ im Show-Business ist und normalerweise die Aufmerksamkeit genießt. Die berühmte schwedische Sopranistin Birgit Nilsson beschreibt in ihrer Autobiografie „Mein Leben für die Oper“ (Fischer Taschenbuch Verlag) den dramatischen Zustand, in dem sie sich vor einer Premiere befand: Sie wünschte sich inbrünstig, das Theater möge abbrennen, damit sie nicht auftreten müsse! Es gibt also keine Garantie. Manche können schon Tage vor einem wichtigen Termin nachts kein Auge zu tun – andere trifft es unerwartet aus heiterem Himmel: Das Lampenfieber.

Lampenfieber oder Auftrittsangst bezeichnet allgemein jenen Zustand, bei dem uns die Aufregung vor einem Auftritt (fast) überwältigt oder uns währenddessen so stark einschränkt, dass wir unsere Leistung nicht mehr bringen können.

Ein bisschen Aufregung tut einerseits gut! Aber nur, wenn sie sich verbindet mit der Freude auf das Bevorstehende. Wir sind dann besonders wach und konzentriert. Besonders Musiker, die regelmäßig auftreten, berichten oft, dass sie die seltenen Konzerte, bei denen sie „zu entspannt“ sind, gar nicht richtig genießen können. Wenn das passiert, fehlt uns der sogenannte „Kick“. Aber heute widmen wir uns dem anderen Extrem. Was können wir tun, um die Aufregung auf ein gesundes Maß einzupendeln?

Schritt eins – Vorbereitung

Die erste und allerwichtigste Hilfe gegen Lampenfieber ist eine gute fachliche Vorbereitung. Seien Sie bereit. Erledigen Sie soviel wie möglich VOR dem Tag X. Das kann alles sein, angefangen von Recherche über Training und Üben bis hin zu Zubehör einpacken, Frisörbesuch, etc. Alles, was Sie in den Tagen, Wochen oder Monaten vor Ihrem Termin erledigen können, läßt Ihnen mehr Luft und Zeit, wenn es dann soweit ist. Außerdem können der Körper und das Gehirn im Vorfeld – mit idealerweise einigem zeitlichen Abstand – alles, was Sie noch durchgehen, wiederholen oder memorieren müssen, viel besser integrieren. Das bedeutet, es kann ein Teil von Ihnen werden.

Am Tag des Auftritts laufen wir bereits auf einem höheren Energie-Level. Körper und Geist sind nicht mehr so aufnahmefähig, sondern wollen jetzt endlich „tun“ und „machen“. Jetzt geht es darum, das Erlernte/Vorbereitete abzurufen und zu genießen.

Schritt zwei – Akzeptanz

Akzeptieren Sie, dass ihr Auftritt, in welchem Rahmen auch immer er stattfindet – ob „groß“ oder „klein“, etwas Besonderes ist. Bejahen Sie innerlich das, was Sie vorhaben. Wie das geht? Häufig tauchen Gedanken auf wie zB. diese:

„Da ist ja nichts dabei!“

„Stell dich nicht so an!“

„Ist mir eh egal, ich mach’s halt.“

Diese und ähnliche Selbst-Zurufe, oft wie ein Befehl, sind der Versuch, die Anspannung rational wegwischen zu wollen und haben selten Erfolg. Vielleicht wiedererkennen Sie diesen Zugang zum Thema aus meiner „Geheimnis Charisma“-Reihe, die sich in Teil 3 auf die Vor- und Nachteile des Inneren Dialogs bezieht. (Um dort weiterzulesen, klicken sie hier.) Heute gehen wir aber noch weiter.

Warum hat es wenig Erfolg, hier ausschließlich auf der rationellen Ebene agieren zu wollen? Weil der Körper sich nicht belügen läßt. Denn wir spüren ja ganz deutlich: der Atem wird flacher und kürzer, der Herzschlag geht schneller, der Blutdruck steigt, die Finger zittern, der Mund wird trocken, u.s.w. Entwicklungsgeschichtlich gesehen sendet der Körper eine klare Information an das Gehirn: Gefahrensituation! Dazu mehr in Schritt drei.

Versorgen Sie also erst einmal Ihren Geist mit einer klaren neuen Information und sagen Sie sich ganz ruhig:

„Ja, es ist aufregend, aber ich weiß, was zu tun ist und das tue ich jetzt!“

Oft reicht allein diese – ehrlich gemeinte – Aussage, um sich wesentlich besser zu fühlen. Was also können Sie nun weiter aktiv tun?

Schritt drei – Körperjustierung

Seinen Körper gut zu justieren bedeutet, die eigene Grundentspannung kennenzulernen bei gleichzeitiger hochaufmerksamer Focussierung. Es ist der Zustand, in dem wir „ganz bei uns sind“, in dem wir unser Wissen mühelos abrufen können, in dem wir flexibel sind und gut auf äußere Eindrücke reagieren können, in dem wir kreativ und spontan sind.

Dann werden wir weder zu einem Spielball unserer Emotionen, noch lassen wir uns von körperlichen Spannungszuständen aus unserem Gleichgewicht bringen.

In der Reihe „Lampenfieber“ stelle ich Ihnen mehrere einfache Körper-Übungen vor, die sehr effizient sind. Dabei werden Sie feststellen, daß die eine oder andere Übung Ihnen mehr entgegenkommt als andere. Grundsätzlich gebe ich ausschließlich Übungen aus meinem Bühnenalltag weiter, die ich selbst erprobt habe und persönlich hilfreich finde. Finden Sie heraus, was Ihnen persönlich nützt und bleiben Sie bei dem, was für Sie gut funktioniert. Gehen Sie es spielerisch an.

Übung 1:

Diese Übung stammt aus der Progressiven Muskelentspannung nach Edmund Jacobson.

  1. Langsam und tief einatmen.
  2. Atem anhalten.
  3. Alle Muskeln des Körpers von der kleinen Zehe bis zur Nasenspitze ganz fest anspannen. (Inkusive: Pobacken, Fäuste machen und „Zitronengesicht“!)
  4. Die Spannung gute 10 Sekunden halten.
  5. Die Spannung lösen.
  6. Langsam ausatmen.

Wiederholen Sie Schritt 1 bis 6 insgesamt drei Mal.

Weiter geht es in „Lampenfieber – Teil 2“. Viel Freude beim Ausprobieren!

Ich danke der Regisseurin Angela Maria Zabrsa für die professionellen und inspirierenden Anregungen. alphastimme entstand aus dem Wunsch heraus, Gutes weiterzugeben. Die Bühne, mein eigener Weg als Sängerin und die Begegnungen mit meinen Lehrern und Weggefährten haben mich viel gelehrt. Von diesem Wissen profitieren nicht nur Sänger und Darsteller. Jeder Mensch hat das angeborene Recht mit der Kraft und Vielseitigkeit seiner Stimme frei zu kommunizieren, sich als selbstbewussten Teil eines größeren Ganzen wahrzunehmen und sein Hinausgehen in die Welt zu genießen. Sichtbar sein, gehört werden: Ihr Auftritt.

Zitat_Sokrates

Unterschrift-2

 
 

2 Comments

  1. Roswitha
    31. August 2016 @ 20:55

    Liebe Lisa,
    es ist eine Freude, deine Texte zu lesen!
    Und das heute ist ein wunderschöner Satz, eine herrliche Herangehensweise – das möchte ich mir hinter die Ohren schreiben und nie mehr vergessen: „Jeder Mensch hat das angeborene Recht mit der Kraft und Vielseitigkeit seiner Stimme frei zu kommunizieren, sich als selbstbewussten Teil eines größeren Ganzen wahrzunehmen und sein Hinausgehen in die Welt zu genießen.“
    Danke schön für deine Impulse! Ich umarme dich.

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    • alphastimme
      31. August 2016 @ 22:01

      Liebe Roswitha,
      Vielen herzlichen Dank für deine lieben Worte!
      Ich freue mich auf ein Wiedersehen,
      Umarmung!

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